Die Neurobiologie der Wahrnehmungen und Sinnesempfindungen

Das menschliche Gehirn besteht anatomisch aus dem Großhirn, Zwischenhirn und dem Stammhirn. Alle mit den Augen, den Ohren, der Nase, der Zunge und mit der Haut wahrgenommenen Sinnesempfindungen werden zunächst im entwicklungsgeschichtlich älteren, aber voll funktionstüchtigen Zwischenhirn („Säugetiergehirn“) verarbeitet und bewertet. Dieser Teil des Gehirns ist für die unbewusste Befriedigung der überlebensnotwendigen Grundbedürfnisse, beispielsweise Fortpflanzung, Nahrungsbeschaffung und Sicherheit zuständig und verfügt über ein eigenes Gedächtnis.

 

Das Vegetative Nervensystem

 

Das vegetative Nervensystem (VS)

Das vegetative Nervensystem (VS) hat verschiedene Aufgaben. Vereinfacht dargestellt sorgt es zum einen für eine ständige Anpassung, d.h. Feinabstimmung des Körpers auf jede Veränderung, zum anderen stellt es den Körper über die Stressreaktion auf eine drohende Gefahr ein.

 

Die Stressreaktion

1940 entdeckte der ungarisch-kanadische Arzt Hans Seyle die „Stressreaktion“. Im Tierversuch hatte er bei Tieren unter Stress die „Stresshormone“ Adrenalin und Noradrenalin nachgewiesen.

 

Die Stressreaktion nach H. Seyle

 

Die Stressreaktion wird durch den Hypothalamus ausgelöst. Im ersten Schritt wird über die HHN-Achse Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet. Gelingt die Anpassung damit nicht, erfolgt über die HHNR-Achse die zusätzliche Ausschüttung von Cortisol. Versagen beide Anpassungsachsen, kommt es zur Erschöpfung, zu psychischen Störungen und zu Krankheiten.

Die Nebenniere ist ein kleines Organ, das beidseits jeweils oberhalb der Nieren liegt. Es ist eine der Haupthormondrüsen in unserem Körper und produziert unter anderem das lebenswichtige Hormon "Cortisol". Die Größe der Nebenniere beträgt jeweils etwa 4x3x2 cm.

 

Die Anpassung

10 Jahre nach der Entdeckung der Stressreaktion schrieb Seyle den Bestseller „Stress without Distress“. Er betonte, dass das Vegetative Nervensystem nicht nur auf Stress reagiere, sondern den gesamten Körper bei Tag und Nacht auf jede Veränderung einstellt. Verantwortlich dafür sind der Sympathikus und der Parasympathikus. Beide sind Gegenspieler, die einander ergänzend wirken und dadurch eine äußerst feine unwillkürliche Regulation der Organtätigkeit ermöglichen. Der Sympathikus hat im Rahmen dieser Gesamtsteuerung meist eine leistungssteigernde, der Parasympathikus eine der Erholung dienende Wirkung. Das sympathische und parasympathische System sind im Rückenmark in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Nebennieren lokalisiert, wobei der sympathische Anteil im oberen, der parasympathische Anteil im unteren Rückenmark liegt.

 

Die Stressreaktion des vegetativen Nervensystems

 

Die Bedeutung der unbewussten Emotionen

„Das Emotionale Machtzentrum“

Das limbische System ist ein entwicklungsgeschichtlich sehr alter Teil des Gehirns. Es setzt sich aus verschiedenen Gehirnstrukturen zusammen, wie der Amygdala und dem Hippocampus. Die Bezeichnung kommt daher, weil die entsprechenden Hirnregionen einen Ring um die Basalganglien und den Thalamus bilden. Die Aufgaben des limbischen Systems sind vielfältig. Es steuert weitestgehend unwillkürlich Funktionen wie Emotionen, Triebverhalten, Antrieb, Gedächtnis und Verdauung.

 

Der Einfluss des limbischen Systems auf unser Denken und Verhalten wird von der naturwissenschaftlichen Medizin seit jeher mit dem Hinweis relativiert, dass es mit dem Großhirn vernetzt ist. Es passt nicht in das Weltbild des Dualismus, dass animalische Triebe die bewussten Entscheidungen des Menschen beeinflussen können. Sigmund Freud hatte vor mehr als 100 Jahren die Bedeutung der Libido erkannt und war davon überzeugt, dass die unbewussten Emotionen eine große Bedeutung für unsere mentale und körperliche Gesundheit haben.

 

Der Psychologe H. G. Häusel prägte den Begriff „Das emotionale Machtzentrum“ und hat in seinen Büchern die Bedeutung der Libido in der Werbung beschrieben. In seinem Buch „Think limbic“ hat er die Bedeutung der Libido in der Werbung beschrieben; Millionen treffen ihre Kaufentscheidung unbewusst, wenn das Produkt mit der Libido in Verbindung gebracht wird.

 

Statistisch betrachtet geht ein Drittel der verheirateten Frauen und Männer mindestens einmal im Leben fremd. Weitere 20 Prozent haben das schon in Erwägung gezogen. Die sexuellen Übergriffe Weinsteins oder Bill Clintons Sex-Skandale im Weißen Haus zeigen, dass die Kontrolle der libidinösen Triebe selbst hochangesehene Kulturschaffende und Präsidenten versagen kann. Selbst die drohende Todesstrafe konnte in den USA oder aktuell in Indien Männer nicht vor Vergewaltigungen abhalten.

 

Das Limbische System

 

Damit soll dieses Verhalten nicht schöngeredet werden. Natürlich brauchen wir gesellschaftliche Regeln und Gesetze, die ein Zusammenleben ermöglichen. Wie weit diese Reglementierung gehen darf, ist jedoch umstritten. Dualistisch denkende, konservative Kreise plädieren für strenge Gesetze, während Liberale sich für mehr Anerkennung von Schwulen, Lesben und Diversen aussprechen.

 

Die Libido hat eine ebenso überlebensnotwendige Bedeutung wie die Angst. In der Amygdala, einer erbsengroßen Struktur, befindet sich das unbewusste Gedächtnis und das Furchtzentrum. Hier sind von Geburt an alle Reize gespeichert, auf die der Körper vor allen anderen Emotionen sofort eingestellt werden muss. Der Hirnforscher LeDoux beschrieb den Angstzyklus. Registriert die Amygdala eine Gefahr, wird das auf dem denkbar kürzesten Weg an den Hypothalamus weitergeleitet, der das autonome Vegetative Nervensystem aktiviert (kurzer Weg).

 

Ist das Angstgefühl weniger stark, schaltet der Hippocampus über den Thalamus das Großhirn ein, das dann über die Reaktion auf dieses Angstgefühl entscheidet und der Amygdala die Entwarnung mitteilt (langer Weg).

 

Der kurze und lange Weg des Angstzyklus

 

Wie man das Fürchten lernt

Angst und Furcht sind elementare lebenserhaltende Reaktionen auf bedrohliche Situationen. Die Amygdala (Mandelkern), eine paarige Struktur des Limbischen Systems, ist für die primäre emotionale Verarbeitung der Wahrnehmungen verantwortlich. Hier findet die elementare Gedächtnisbildung statt. Die Amygdala dient aber auch als Alarmanlage. Innerhalb von wenigen Millisekunden, lange bevor die Wahrnehmungen über den Thalamus, dem „Tor zum Bewusstsein“, zur abschließenden Bewertung in das Kontrollzentrum im Frontalhirn gelangen, bewertet sie Situationen und schätzt Gefahren ein. Die schnelle Reaktion der Amygdala garantiert u. U. das Überleben. 

 

Die angeborene und die erlernte Sensibilität

Der kurze, sehr empfindliche Weg des Angst-Schaltkreises kann jedoch auch falschen Alarm auslösen. Die Empfindlichkeit der Amygdala ist angelegt oder wird vor allem in den beiden ersten Lebensjahren erlernt. Wenn ängstliche Eltern auf jede Regung des Kindes eingehen, wird er so zum Fehlalarm erzogen.

 

Der Reflex

Über die Stressreaktion hinaus verfügt der Mensch über eine dritte Form der Reaktionsweise, die bei unmittelbaren, plötzlichen Veränderungen und Gefährdungen wirkt. Der Reflex wird von einem so genannten Motorischen Zentrum im Zwischenhirn ausgelöst und vom Peripheren Nervensystem (PNS) ausgeführt, zum Beispiel, wenn sich ein Insekt auf uns niederlässt. Die Hand reagiert reflexartig und meistens zielgenau. 

 

Zusammenfassung

Der Mensch verfügt mit dem Zwischenhirn über einen entwicklungsgeschichtlich älteren Gehirnanteil, der exakt dem Säugetiergehirn entspricht. Beim Säugetier ist es die oberste Instanz, die das Verhalten des Tieres steuert. Die Strukturen im Zwischenhirn sind zwar funktionstüchtig, für das menschliche Bewusstsein aber nicht zugänglich. Im Vergleich zum Säugetier konkurrieren die Funktionen zahlreicher Strukturen im Zwischenhirn beim Menschen mit den Großhirnfunktionen, vor allem im Frontalhirn, dem Kontrollzentrum für das Verhalten. Das Limbische System hat jedoch einen sehr viel größeren Einfluss auf unser Denken und Handeln, als wir glauben. Das Limbische System agiert weitestgehend autonom und sorgt über das Vegetative Nervensystem (VS) nicht nur für die ständige Anpassung des Gesamtorganismus an jede Veränderung, sondern auch für die Abwehr drohender Gefahren. Dabei spielen die unbewussten Emotionen, vor allem die Angst, eine entscheidende Rolle. Das Furchtzentrum in der Amygdala steuert den Angstzyklus und entscheidet über den kurzen oder langen Weg. Eine besondere Form der Anpassung ist der Reflex, der über Nervenbahnen des PNS verläuft.